Das älteste Kammerorchester Deutschlands
Das Kölner Kammerorchester ist mit seinem im Jahr 1923 gespielten Konzertdebüt das älteste Kammerorchester Deutschlands. Die Idee einer werkgerechten Interpretation führte 1923 zur Gründung des Kölner Kammerorchesters, das in seinen frühen Jahren unter Hermann Abendroth und später unter Erich Kraack spielte. Mittlerweile ist das Gründungskonzert am 30.11.1923 im Saal des damals neuen Kunstvereinsgebäudes am Friesenplatz Köln im Rahmen der Konzertreihe der Gesellschaft für Neue Musik wissenschaftlich nachgewiesen. Dieses erste Konzert leitete Gustav Classens, der seit 1914 am Kölner Konservatorium Klavier und Dirigieren bei Hermann Abendroth studiert hatte und später von 1933 bis 1949 als Bonner Musikdirektor das Kulturleben prägte. Unter der Leitung von Otto Klemperer und Hermann Abendroth spielte das neu gegründete Orchester in den 20er Jahren auch im Rahmen der jeweils im Mai stattfindenden „Rheinischen Kammermusikfeste“ in Köln und im Musiksaal des Schloss Brühl.
Als Abendroth Anfang der 1930er Jahre Köln verließ, übernahm sein Schüler Erich Kraack die Leitung des jungen Klangkörpers und verlegte seinen Standort nach Leverkusen. Dort konnte er in den Bayer-Kasinokonzerten seinen guten Ruf festigen und ihm durch die Zusammenarbeit mit bedeutenden Solisten überregionale Anerkennung verschaffen. Erich Kraack prägte das Konzert- und Kulturleben der Stadt Leverkusen 36 Jahre lang auch als künstlerischer Leiter der Bayer Philharmoniker.
1963 übergab Erich Kraack die Leitung des Kölner Kammerorchesters an Helmut Müller-Brühl. Dieser hatte durch Studien der Philosophie, katholischen Theologie, Kunst- und Musikwissenschaften umfassende theoretische Grundlagen für die Interpretation barocker und klassischer Musik erworben und durch Violinkurse bei seinem Mentor Wolfgang Schneiderhan sowie durch frühe Dirigierpraxis ergänzt. Im Herbst 1964 führte er es mit dem Pianisten Wilhelm Kempff zu einer viel beachteten Tournee in die Schweiz, die den Beginn der Zusammenarbeit mit zahlreichen renommierten Solisten markierte. Seither hat das Orchester bei Gastspielen in Europa, Asien, Nord- und Südamerika, bei Festivals im In- und Ausland viele Erfolge gefeiert.
Helmut Müller-Brühl eröffnete den Musikern als Festivalorchester der Brühler Schlosskonzerte eine neue Wirkungsstätte für Opernproduktionen und Konzerte, welche er mehr als 3 Jahrzehnte künstlerisch prägte.
Von 1976 bis 1986 musizierte das Kölner Kammerorchester unter dem Namen Capella Clementina ausschließlich auf historischen Instrumenten. In dieser Zeit hat Helmut Müller-Brühl für die historische Aufführungspraxis und die Wiederbelebung barocken Musiktheaters Maßstäbe gesetzt. Die dabei gewonnenen Erfahrungen hat das Kölner Kammerorchester seit 1987 konsequent auf das moderne Instrumentarium übertragen. So ist das Kölner Kammerorchester heute eine Formation, die historisch informiert und inspiriert einem modernen Klangbild entspricht, welches ein Repertoire von Barock über Klassik bis hin zur Klassischen Moderne und zeitgenösssischen Werken erlaubt.
Seit 1988 veranstaltet das Kölner Kammerorchester in der ein Jahr zuvor eröffneten Kölner Philharmonie die eigene Konzertreihe „Das Meisterwerk“.
1997 bis 2007 konzertierten die Kölner regelmäßig im Théâtre des Champs-Elysées Paris und dem Prinzregententheater München. Ein wesentliches Charakteristikum der „Meisterwerk“-Konzerte war die Präsentation begabter Nachwuchsmusiker unter Helmut Müller-Brühl sowohl im Ensemble wie als Solisten.
Das Kölner Kammerorchester hat an über 200 Tonträger-, Rundfunk- und Fernsehproduktionen mitgewirkt und dabei mehr als 500 Kompositionen aufgenommen. Seit 1995 ist es dem weltweit präsenten Label Naxos verbunden. Anlässlich des Bach-Jahres 2000 hat es unter Leitung von Helmut Müller-Brühl das vollständige Orchesterwerk Johann Sebastian Bachs eingespielt und damit erstmals alle 35 Suiten und Konzerte in den überlieferten Originalfassungen, den vom Komponisten selbst vorgenommenen Transkriptionen und neueren Rekonstruktionen verlorener Originale auf CD versammelt. Inzwischen liegen auch die 16 geistlichen Solokantaten Bachs komplett auf vier CDs vor und bilden eine willkommene Ergänzung zu den Aufnahmen der Messe in h-Moll und der Matthäuspassion. 2001 wurde die Einspielung der drei „Darmstädter Ouvertüren“ Georg Philipp Telemanns in der Sparte „Orchestermusik des 18. Jahrhunderts“ mit dem Cannes Classical Award ausgezeichnet. 2003 begannen Helmut Müller-Brühl und das Kölner Kammerorchester eine Gesamtaufnahme der Sinfonien Ludwig van Beethovens, von denen heute nur die neunte fehlt.
Im Laufe des Jahres 2007 spielten sie 24 Instrumentalkonzerte Joseph Haydns ein, von denen zehn in der originalen Besetzung zuvor nicht auf CD erschienen waren. Anlässlich von Haydns 200. Todestag wurde das Kölner Kammerorchester unter der Leitung von Helmut Müller-Brühl von Papst Benedikt XVI. eingeladen, die Pfingstmesse 2009 im Petersdom in Rom musikalisch zu gestalten.
Mit Beginn der Spielzeit 2008/09 übergab Helmut Müller-Brühl die künstlerische Leitung des Kölner Kammerorchesters an Christian Ludwig, der dieses 3 Spielzeiten erfolgreich leitete.
Christian Ludwig wurde 1978 in Köln geboren. Gefördert durch die Studienstiftung des deutschen Volkes studierte er Violine in Köln und London sowie Kammermusik beim Alban Berg Quartett. Als Solist konzertierte er mit namhaften Orchestern wie dem Radiosinfonieorchester Saarbrücken, dem Berliner-Sinfonie-Orchester, dem Radiosymphonieorchester Peking und dem Franz Liszt Kammerorchester, Budapest. Er spielte auf zahlreichen Festivals wie dem Internationalen Musikfestival Davos, den Dresdner Musikfestspielen und dem Rheingau Musikfestival. Neben Aufnahmen für diverse Rundfunkstationen entstanden Einspielungen der Violinkonzerte von J. Haydn und F. Mendelssohn sowie eine CD mit Werken für Violine und Cello. Nach einer Handverletzung studierte Christian Ludwig Orchesterdirigieren und Chorleitung an der Musikhochschule Mannheim bei Klaus Arp sowie an der Royal Academy of Music in London bei Sir Colin Davis und Colin Metters. Weitere musikalische Anregungen erhielt er bei Meisterkursen mit Dirigenten wie Mario Venzago, Dmitri Kitajenko, Yan Pascal Tortelier und George Hurst. 2011 wurde Christian Ludwig zum Chefdirigenten des Gwangju Symphony Orchestra in Südkorea berufen.
Christian Ludwig seinerseits setzte die Zusammenarbeit mit Naxos fort und nahm mit dem Orchester alle Streicherserenaden von Robert Fuchs (1847-1927) auf. Dadurch setzte er einen entscheidenden Maßstab zur Repertoireerweiterung des Kölner Kammerorchesters in Richtung 20. Jahrhundert.
In den Spielzeiten 2011/12 und 2012/13 arbeitete das Kölner Kammerorchester schwerpunktmäßig mit internationalen Gastdirigenten wie Nicholas McGegan und Jos van Veldhoven zusammen und schärfte sein Profil durch die Zusammenarbeit mit ausgewiesenen Experten der Barockmusik. Große Werke der Chorliteratur mit vertrauten Partnern wie dem Collegium vocale Siegen unter Ulrich Stötzel oder dem Chor der Hochschule für Musik Köln unter Reiner Schuhenn standen ebenso auf dem Programm wie Konzertprogramme mit jungen Solisten, die vom Konzertmeisterpult geleitet wurden. Helmut Müller-Brühl kehrte im Herbst 2011 noch einmal an das Dirigentenpult zurück und nahm gemeinsam mit „seinem“ Orchester die Divertimenti KV 251 und 334 von W.A. Mozart auf, welche derzeit als aktuellster Tonträger des Orchesters vorliegt.
Mit der Berufung von Christoph Poppen zum Principal Guest Conductor ab September 2013 und ab 2014 zum Principal Conductor hat das Kölner Kammerorchester eine wichtige künstlerische Weichenstellung vorgenommen siehe hierzu auch Orchester/Christoph Poppen.
Helmut Müller-Brühl wurde 1933 in Brühl geboren. Hier besuchte er Grundschule und humanistisches Gymnasium, war er Messdiener und Jugendgruppenleiter. Hier genoss er den ersten Geigenunterricht und spielte begeistert im Schulorchester. Nach dem Abitur trat er zunächst als Priesteramtskandidat ins erzbischöfliche Konvikt in Bonn ein und begann mit dem Studium der Philosophie und Theologie. Nach wenigen Semestern erzwang eine schwere gesundheitliche Krise den Auszug aus dem Collegium Albertinum. Müller-Brühl, an Tuberkulose erkrankt, reiste ins Graubündische, ins Kloster Disentis, die älteste Benediktinerabtei nördlich der Alpen. Der wohlmeinende Abt ermöglichte ihm den Besuch des Luzerner Konservatoriums, wo der Klosternovize auf Wolfgang Schneiderhan traf, einen der bedeutendsten Geiger seiner Zeit. Diese Begegnung veränderte alles: In Schneiderhan hatte Müller-Brühl seinen Mentor, Lehrer und Freund gefunden.
Zurück im Flachland drängte es den jungen Geiger, der weiterhin in Bonn Philosophie, Theologie, aber auch Kunst- und Musikwissenschaften bei Lehrern wie Joseph Ratzinger, Heinrich Lützeler und Josef Schmidt-Görg studierte, nach eigener musikalischer Verwirklichung. Es war nicht allein die Musik des 18. Jahrhunderts, die Müller-Brühl in ihren Bann zog, sondern das einzigartige Zusammenwirken aller geistigen und künstlerischen Kräfte jener Zeit am Gesamtkunstwerk Barock, jenem paradoxen Versuch, den Widerstreit zwischen Lebenslust und Todessehnsucht, Herrlichkeit und Vergänglichkeit der Welt, durch die Musik in Einklang zu bringen. Was lag näher, als die Musik des 18. Jahrhunderts in genuinen Räumen, wie sie das Brühler Schloss bietet, aufzuführen?
In Anknüpfung an die rheinischen Kammermusikfeste der frühen 1920er Jahre rief Müller-Brühl 1958 die Brühler Schlosskonzerte und sein erstes Orchester, das Junge Kölner Streicherensemble ins Leben. Zum gleichen Zweck versammelten sich ab 1960 im Kölner Solistenensemble Mitglieder der großen Kölner Orchester und der Musikhochschule um den jungen Dirigenten. Drei Jahre später spielte das Kölner Kammerorchester im prunkvollen Treppenhaus der kurfürstlichen Residenz, welches es fortan als Hausorchester für fast 30 Jahre prägen sollte.
Schon bald wurde Schloss Augustusburg zum Podium für bedeutende Solisten: für die Sängerinnen Irmgard Seefried und Maria Stader, den Geiger Wolfgang Schneiderhan, die Cellisten Gaspar Cassadó und Pierre Fournier sowie die Pianisten Jörg Demus und Wilhelm Kempff.
Frühzeitig hat Müller-Brühl für den Originalklang, für die Historisierung des musikalischen Geschehens plädiert. Und tatsächlich avancierte sein Ensemble, das als Capella Clementina seit 1976 auf historischen Instrumenten spielte, mit Musikern wie Reinhard Goebel, Thomas Hengelbrock, Konrad Hünteler, Rainer Kussmaul, Michael Schneider oder Peter Westermann schon bald zu einer der ersten Adressen für die authentische Deutung alter Musik. Allein, der musikalische Historismus schuf neue Dogmen.
Kaum jemand hat das so früh erkannt wie Helmut Müller-Brühl. Und kaum jemand war wie er bereit, Konsequenzen daraus zu ziehen. Die 1986 neu eröffnete Kölner Philharmonie gab den letzten Anstoß dazu. Auf der Grundlage der genauen Kenntnis historischer Aufführungs- und Spielpraktiken studierte Müller-Brühl mit seinen Musikern Werk für Werk sorgfältig ein, prüfte und verwarf Einzelheiten und richtete das Notenmaterial bis zum letzten Bogenstrich selbst ein. Stets dirigierte er denn auch mit Partitur, seit Gründung der Capella Clementina aber nie mit dem Taktstock, sondern allein mit den Händen, vor allem mit den Augen. Dass für Helmut Müller-Brühl letzthin alles einen didaktischen Zug besaß, wussten und schätzten nicht zuletzt seine treuen Konzertbesucher. Und natürlich vergaß er hier auch einen anderen Dialog nicht, nämlich die Begegnung mit jungen Meistersolisten. Ob Barbara Schlick oder Christine Schäfer, ob Michael Chance oder Thomas Quasthoff, ob Frank Peter Zimmermann oder Maxim Vengerov, ob Justus Frantz oder Olli Mustonen – sie alle waren zu Gast bei Helmut Müller-Brühl, und nicht selten gaben sie ihr Kölner Debüt unter seiner Obhut.
Ein durchaus didaktischer Zug ist im übrigen auch den Plattenaufnahmen zu eigen, die Müller-Brühl seit 1960 einspielte. Seine Schallplattenreihen „Meisterwerke für Orchester“, „Die Instrumente des Orchesters“ und „Concerti per varii stromenti“ suchten und fanden ein großes Publikum. Über 200 Aufnahmen hatte er produziert, als er 1995 einen Exklusivvertrag mit Naxos abschloss, der es ihm erlaubte, Kernrepertoire – Bach, Haydn, Mozart und Beethoven – einzuspielen. Diese fruchtbare Zusammenarbeit mit einem weltweit operierenden Label war ein wichtiger Prüfstein für Müller-Brühls Konzept, alte Musik auf modernen Instrumenten gültig zu interpretieren – ein Ansatz, den er nicht zuletzt mit der fulminanten Neueinspielung des vollständigen Orchesterwerkes von Johann Sebastian Bach verfolgte, die ungewöhnlich großen Absatz fand. Aber nicht nur der Markterfolg gibt Müller-Brühl Recht. Schließlich wurde seine Einspielung von Telemanns drei „Darmstädter Ouverturen“ 2001 mit dem Cannes Classical Award, einem der wichtigsten Kritikerpreise überhaupt, ausgezeichnet. Müller-Brühl war Leiter, Dirigent und Manager des Kölner Kammerorchesters in einer Person. Und auch hier tat er, was er stets tat: Er suchte den Dialog. In einem Förderkreis versammelte er 1989 Persönlichkeiten aus Handel, Banken und Industrie und verschaffte dem Kölner Kammerorchester, einem der unsubventionierten Ensembles in Deutschland, ein Maß an Planungssicherheit, das man andernorts kaum noch kennt. Zu dieser Verantwortung, die Müller-Brühl für sein Orchester empfand, gehörte es auch, dass er bereits Ende 1995 die Leitung der Brühler Schlosskonzerte an Andreas Spering übergab und schließlich 2008 auch die des Kölner Kammerorchesters in die jüngeren Hände von Christian Ludwig legte.
Helmut Müller-Brühl kehrte im Herbst 2011 noch einmal an das Dirigentenpult zurück und nahm die Divertimenti D KV 251 und 334 von Mozart auf.
Sein möglicherweise intensivstes musikalisches Erlebnis ermöglichte ihm 2009 anlässlich von Haydns 200. Todestag eine Einladung von Papst Benedikt XVI. zur Gestaltung der Pfingstmesse im Petersdom in Rom.
Im Januar 2012 nahmen Freunde und Kollegen Abschied von Helmut Müller-Brühl, der am 2. Januar 2012 in seinem Heimatort Brühl verstarb.